Bilder 2025 – auch „Betroffene zeigen Gesicht“

Nun sind wir also im neuen Jahr angekommen. Haben Sie auch einige der obligatorischen Rückblicke in den Medien gesehen? Oder vielleicht eigene Bildersammlungen auf dem Handy durchgeblättert? Markante Bilder führen zu Resonanzen, Erinnerungen an große und kleine Momente lassen uns lächeln – oder auch erschaudern.

 

Triggerwarnung: im Folgenden schreibe ich Ihnen von der Ausstellung im Raum der Stille im Café Mary & Joe, die am 19.1. eröffnet wird – und von Gewalt in der Bibel. Überlegen Sie, ob Sie weiterlesen möchten.

22 Bilderrahmen, die eine außergewöhnliche Ausstellung bilden, können Sie vier Wochen lang im Café im geschützten Raum, der nur zu bestimmten Zeiten zugänglich ist, finden. Bilder, die verstören können. Und dazu Texte von Betroffenen. Bilder von scheinbar unbeschwerter Kindheitszeit – auch im Rahmen des sogenannten kirchlichen Lebens. Und dann ein Statement, das schmerzt und von tiefen Seelenverletzungen zeugt. „Lochfraß in der Seele“ hat es jemand genannt.

Auch die Bibel enthält zahlreiche Stellen, die kontaminiert sind mit traumatischem Stoff. Unmissverständlich wird Gewalt beschrieben, die Menschen erlebt haben: Die Leseordnung sieht das kaum bis gar nicht vor, aber es ist da. „Sprich nicht darüber“ muss die vergewaltigte Tamar hören (2 Sam 13). Aber: der biblische Text stellt genau das Gegenteil dar. Die Gewalt wird erzählt und das Leid sichtbar.

Missbrauch erzeugt in Betroffenen das Gefühl, hilflos und verlassen zu sein. Die Rolle der Umstehenden, der „bystander“, ist wichtig: gibt es ein parteiliches Umfeld? Gibt es Menschen, die ohne Wenn und Aber auf der Seite geschädigter Personen stehen? Eine Traumatherapeutin beschreibt das so: „Die Versuchung, sich auf die Seite des Täters zu schlagen, ist groß. Der Täter erwartet vom Zuschauer lediglich Untätigkeit. Das Opfer hingegen erwartet vom Zuschauer, dass er die Last des Schmerzes mitträgt. Das Opfer verlangt Handeln, Engagement und Erinnerungsfähigkeit.“ (zu lesen in „Bibel und Kirche“ 1/2023: Sexualisierte Gewalt in und mit der Bibel, Seite 53 – das Heft liegt im Café aus)

Betroffene zeigen Gesicht – die Veranstalter der Ausstellung bitten Sie, hin- und nicht weg-zuschauen. Ob im Alltag oder in der Ausstellung.

Marcus Tannebaum

Pastoralreferent
marcus.tannebaum@bistum-essen.de
Mobil: 0151/50879645

Platz der Guten Hoffnung 1
46047 Oberhausen

Ansprechbar für:
Jugendbegleiter und Café Mary & Joe (ökumenisches Kirchenzentrum am CentrO, www.mary-and-joe.de)