Gott zur Ausbildung helfen

Das Bild, liebe Leserin und lieber Leser, zeigt eine kleine Figur der Gottesmutter aus dem späten Mittelalter, das Original ist aus dem Maltatal in Kärnten. Maria trägt das göttliche Kind in ihrem Leib; ihr Leib ist gesegnet von Gott; sie ist ganz wörtlich und sichtbar zur Herberge Gottes geworden. Die menschliche Herberge hat ja keinen Platz… Dieser Gedanke alleine würde reichen, um nicht nur an Weihnachten, sondern ein ganzes Leben lang als Getaufte ins Nachdenken zu kommen…

Ziemlich zeitgleich zur Entstehung der Marienfigur mit dem Jesuskind unter dem Herzen in der Herbergstür („Meins Herzen Tür die offen ist…“) predigte Meister Eckhart in Erfurt. Von ihm stammen einige wichtige Begriffe der deutschen Sprache, darunter auch „Bildung“. Zwar kannte die deutsche Sprache das Wort vorher, aber mehr im Sinn von Bildnis oder Vorstellung, sehr verwandt mit dem platonischen Begriff der Idee. Meister Eckhart verwendet den Begriff aber fast nie als Hauptwort, sondern in vielen Formen von Tätigkeitswörtern: Der Mensch wird nach Gott gebildet, in Gott wiedergebildet. Er sagt zum Beispiel in einer Predigt: „Der unermessliche Gott, der in der Seele ist, der wirkt in der Seele und bildet sie nach ihm.“

Gott nimmt Wohnung in unserer unsterblichen Geistseele, von ihm geschaffen als Wohnung und Ort seiner eigentümlichen Ausbildung in uns. So wie ich hat noch niemand gelebt und gedacht und geliebt und gefühlt. Darin wird Gottes Bild in der Welt weiter ausgebildet, und zugleich bildet er unsere Seele aus und bildet sie nach seinem Bild, nach seinem Wesen, nach seiner Liebe. Je mehr wir lieben lernen, desto mehr bilden wir unsere Seele aus.

Bildung meint einen lebenslangen Prozess der Verwandlung, dadurch, dass Gott sicher selber in die Seele des Menschen gebiert und die Seele Kind Gottes wird. Denken wir zu Weihnachten daran, wenn wir die Krippe sehen: Gott wird Mensch. Er kommt zur Welt, in meine Seele und dadurch in die Welt. Durch diese Ausbildung Gottes in mir werde ich verwandelt und wird die Welt verwandelt. Durch Liebe, Güte und Vergebung, Licht in der Finsternis. Stück für Stück, Tag für Tag, ein Leben lang.

In diesen scheinbar so hoffnungslosen Zeiten mit Kriegen und Morden, mit politisch scheinbar unlösbaren Herausforderungen kann dieser Gedanke zum Weihnachtsfest
wirklich Kraft ausbilden.

Ihnen und Ihren Familien ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Ihr André Müller, Propst