Liebe Schwestern und Brüder!

Angst ist etwas Furchtbares!  Dieses Gefühl, in der Enge zu sein oder auch gelähmt zu sein, zu blockieren! Dieses: „Ich kann nicht mehr, ich bin überfordert, das wächst mir über den Kopf!“ Da ist etwas, was ich gar nicht genau beschreiben kann, und das  macht mir Angst? Während der Pandemiezeit, jetzt mitten im Krieg in Europa, jetzt in Zeiten rigoroser Inflation und Wirtschaftsängste, jetzt bei derart viel Kinderarmut und zunehmender Einsamkeit im Alter  verstärken sich bei nicht wenigen Menschen Angstgefühle bis hin zu regelrechten Angstkrankheiten. Ich weiß davon aus vielen seelsorglichen Gesprächen. Und Sie kennen das sicher auch aus ihrem Umfeld. Oder Sie sind sogar selber betroffen. Nicht selten stellen sich auch körperliche Symptome ein. Angst hat in der Regel nicht ihre Wurzel in den ganz großen Schicksalsstürmen, sondern in den alltäglichen Überforderungen, Abschieden, im Zerbrechen von Beziehungen, in Panik und Selbstzweifeln. Auch Illusionen und schlimme Erinnerungen können dazu beitragen. Angstbesetzte Menschen fühlen sich oft wie ein Schiff in rauer See. Auch Menschen in unserer Pfarrei, in den Gemeinden, Kirchorten, im Cartiasverband, in Kitas und Schulen usw. fühlen sich oft so. Allein gelassen in  rauer See ob mancher Großwetterlage und in Zeiten der Veränderung, die viel Neues, aber auch Verwirrungen stiften. Ich kenne dieses Motiv vom Schiff im Sturm und der Angst auch aus einem anderen Zusammenhang. Der Evangelist Markus erzählt davon (vgl. Mk 4,35-41). Er platziert es als ein Naturereignis auf dem See Genezareth. Fallwinde mit plötzlicher großer Heftigkeit bringen dort das Boot, in dem Jesus und seine Jünger sitzen, in große Gefahr. Auch für erfahrene Fischer eine ernsthafte Bedrohung. Wasserwogen stürzen ins Boot. Das Schiff droht unterzugehen. Nun will das Evangelium hier gar kein historisches Ereignis erzählen. Es ist eine Motivgeschichte für etwas viel Tieferes, das mit Erfahrungen aus dem menschlichen Leben zu tun hat: Es gibt in jedem Leben ob individuell oder organisational stürmische Zeiten! Da gerate ich ins Schlingern, manchmal bis zum Kentern! Die Frage, die sich auftut: Was oder wer gibt mir dann Halt? In diesem Evangelium habe ich zu einem anderen Blick gefunden, wenn ich in meinem Lebensboot in Gefahr gerate. Es ist der Gedanke: Denk daran, die ganze Welt ist voller Wunder und zwar in jedem Augenblick. Wie ich darauf komme? Ich bin überzeugt: Gott verlässt uns nie, er ist immer nahe, nicht erst, wenn wir ihn in Angst und Not rufen. Was mich rettet und leben lässt, ist Tag für Tag, in guten und in schlechten Zeiten, der stille Glaube an die ständige Gegenwart Gottes. An seine Präsenz, die den Sturm beruhigt und mein Lebensschiff dem rettenden Ufer näher bringt. Das tosende Wasser ist letztlich eine Chiffre, ein Symbol, für mein Leben, für unser Leben, für die Gefahren, die mich umgeben. Das Meer ein Bild für die Hilflosigkeiten und Abgründe, die mir begegnen können, von außen wie von innen. Das Fahren im  Schiff ein Bild für das Hin- und Hergeworfensein. Doch was ist dann genau wirklich Glaube? Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard sagt es so: „Wir sind verlorener, als wir zugeben wollen. Wir sind tiefer erlöst, als wir zu hoffen wagen.“ Ich versteh das so für mein Leben: Ich muss mich immer wieder aufraffen, weniger in die wirklichen oder scheinbaren Abgründe zu schauen, die Angst machen. Angst, Verzweiflung, Verwirrung und Depression haben nämlich nicht das letzte Wort. In Gott gelassen zu sein, seine Gegenwart, seine Präsenz auch in allen Stürmen zu erhoffen, sich „wunderbar geborgen“ zu wissen, das ist mein Glaube. Das ist das Wunder, das alles beruhigt. Ich vertraue mehr meinen guten als meinen schlechten Erfahrungen. Schließlich stärkt mich dabei ein Gebet, das ich oft am Abend bete. Vielleicht spricht es auch Sie an. Da heißt es: „Gott sagt mir: Ich bin bei dir, wenn du allein bist. Ich bin bei dir, wenn keiner mit dir spricht und dir zuhört. Ich bin da, wenn du traurig bist. Ich bin da, wenn du dich einsam fühlst. Ich bin bei dir und tröste dich. Ich bin bei dir, wenn du krank bist und du Schmerzen hast, Ich bin da, wenn es dunkel und stürmisch um dich herum wird. Ich schenke dir Licht und Halt. Ich bin bei dir, wenn du strauchelst oder stürzt,. Ich bin bei dir und fange dich auf. Ich bin bei dir an jedem deiner Tage. Ich bin bei dir, wenn du dich freust und glücklich bist. Ich bin bei dir in jeder Not. Ich bin bei dir in deinem Tod. Ich erwarte dich und bereite dir eine Wohnung, denn ich, der ewige Gott, werde immer für dich da sein, weil ich dich liebe.“ Ein einfaches, aber für mich tröstliches Gebet.

André Müller

Pfarrer
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