Wir bleiben verbunden – RESPEKT

Liebe Schwestern und Brüder,

die Vereinigten Staaten von Amerika haben es mir angetan. Das Land fasziniert mich, seitdem ich denken kann. Ich weiß nicht, was es war bzw. ist, aber ich kann die USA nicht loslassen. Schon als Kind habe ich mit meiner Schwester die ersten US-Serien im deutschen Fernsehen verschlungen. Die Biografie von John F. Kennedy hat mich als Jugendlicher auf die Spur der Deutsch-amerikanischen Geschichte gebracht. Als 11-jähriger musste ich Basketball spielen und meinem ersten US-Idol Michael Jordan nacheifern.
Die vielen Reisen in die Vereinigten Staaten haben dann ihr übriges getan: die Weite, die Größe, die Natur, die Megastädte – ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
In der Chicagoer Old St. Patrick`s Church durfte ich dann im Jahr 2005 ein zweimonatiges Praktikum absolvieren – eine geniale Zeit! Die Mission der „Kirche“ und die Gastfreundschaft aller Gemeindemitglieder haben mich damals zutiefst berührt und prägen mich bis heute. Ich durfte bei meinen USA-Aufenthalten unzählige positive Erfahrungen sammeln und vor allem unzählige positive Menschen kennenlernen – das vergesse ich nie.

Aber mir blieben auch die Schattenseiten nicht verborgen: Armut, Drogen, Obdachlosigkeit, Schulden, Hunger, Prostitution, soziale Ungerechtigkeiten, Klassenkämpfe, Gewalt, Rassismus, sinnloser Reichtum, Gettoisierung, Sexismus, Nationalismus, Korruption, Zensur, Fake News und peinliche Politiker. Deshalb bleibt meine Faszination immer getrübt, eine ambivalente Liebesbeziehung.
Wenn ich in diesen Tagen die Bilder aus den Vereinigten Staaten sehe, dann bin ich mit Ihnen schockiert. Der Afroamerikaner George Floyd wurde bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis gewaltsam getötet. Rassismus! Purer Hass! Natürlich ist das kein neues Problem, doch die Bilder dürfen niemanden unberührt lassen. Alltagsrassismus ist kein ausschließlich amerikanisches Phänomen. Alltagsrassismus ist hier, mitten unter uns, in vielfältigen Ausprägungen – manchmal subtil, aber immer menschenverachtend.
Daher ist es gut, dass so viele Menschen auf die Straße gehen und deutlich machen, Fremdenfeindlichkeit hat in unserer Demokratie keinen Platz.
Die frohe Botschaft lautet: RESPEKT!

Leider können wir an diesem Fronleichnamsfest diese frohe Botschaft nicht durch unsere Straßen tragen, aber die Botschaft bleibt: RESPEKT!
Jesus ist für mich: RESPEKT!

Auch ohne Prozessionen können wir diese Botschaft mit in unseren Alltag nehmen, wir können sie leben – als Menschen, als Christinnen und Christen, als Kirche.
Verschließen wir nicht die Augen, bleiben wir wachsam!

Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen und euch

Christoph Wichmann

Christoph Wichmann

Pfarrer
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