Osterfelder Sommerinterview

Mitte August kamen vier Pfarreimitglieder zu einer Gesprächsrunde zusammen. Die Themen: Wo steht unsere Pfarrei gerade? Was läuft gut? Was geht besser? Das Interview bietet vier ganz persönliche Einblicke in das Leben unserer Pfarrei.

Mit dabei waren:

Sonja Hellmich, 23, Leiterin des Jugendnetzwerks der Pfarrei und Vorsitzende der Franz-Jugend, Mitglied des Pfarrgemeinderates und der PEP-AG Finanzen.

Beate Kaltenbach, 47, seit einem Jahr Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Pankratius, Mitglied der PEP-Koordinierungsgruppe und der AG Pastoral.

Jörg Ebelt, 46, Familienvater aus der Gemeinde St. Pankratius, sowohl im Gemeinde- als auch im Pfarrgemeinderat, Lektor und im Begrüßungsdienst, Mitglied des Kindergarten-Kuratoriums, Mitglied der PEP-AG Finanzen.

Christoph Kischkel, 32, Lehrer aus St. Marien Rothebusch, dort im Gemeinderat und Messdiener, Ansprechpartner für Jugend, Mitglied der PEP-AG Kommunikation.

 

Frage: Was ist Ihre persönliche Wahrnehmung von „katholisch sein” in Oberhausen-Osterfeld? Wie nimmt ihr Umfeld das wahr?

 

Sonja Hellmich (SH): Aus meiner Sicht zeichnen sich drei Gruppen von Menschen ab: Zum einen die Katholiken, die engagiert sind und die Gemeinden bunt gestalten. Zum anderen die eher Passiven, die ihren Glauben vor allen Dingen in der Eucharistie leben und die nicht so viele Einblicke in das aktive Gemeindeleben haben. Dann gibt es noch die Katholiken, die eine christliche Identität haben, sich der Kirche aber nicht mehr zugewandt fühlen.
Gerade die Jugendlichen, zu denen ich viel Kontakt habe, leben „katholisch sein” ganz anders. Sie engagieren sich unter dem Dach der katholischen Kirche – setzen sich hier für andere ein, begegnen einander und werden so als Christen sichtbar. Mein Umfeld, das nicht so christlich geprägt ist, fragt sich natürlich schon, warum ich nicht lieber im Freibad liege, sondern stattdessen von Termin zu Termin fahre.

Es stellt sich schon die Frage, ob Kirche nicht mehr interessant genug ist, oder ob wir nur die Menschen anders ansprechen müssen.

Christoph Kischkel (CK): Ich würde an Sonja anknüpfend noch zwei andere Gruppen unterscheiden. Die einen, die sich eher mit der Gemeinde identifizieren und die anderen, die sich schon auf die Pfarrei beziehen. Ich nehme wahr, dass sich das, auch dank Propst Wichmann, immer mehr in letztere Richtung verschiebt.
Aber der Großteil der Katholiken ist schwer zu erreichen. Das Engagement im Ehrenamt, also durch Menschen, die Zeit, Mühe und Arbeit investieren, wird weniger und es wird immer schwieriger Menschen zu begeistern. Wir sind da wie eine Thermoskanne – nach innen sind wir warm und muckelig und nach außen haben wir wenig Strahlkraft.
Daher ist es gut, dass wir im Rahmen des PEP auch eine Kommunikationsoffensive starten. Denn es stellt sich schon die Frage, ob Kirche nicht mehr interessant genug ist oder ob wir nur die Menschen anders ansprechen müssen.

Jörg Ebelt (JE): Die Öffentlichkeitsarbeit, die wir gerade machen, wird schon angenommen. Die Choreaner, bei denen ich singe, haben eine Whatsapp-Gruppe und als ich noch im Urlaub in Frankreich war, wusste ich schon, dass da ein neues Banner vor der Kirche hängt. Auf der anderen Seite hat Christoph recht: Wir merken schon, dass es weniger Leute werden, die sich engagieren. Daher nutzen wir jetzt schon Synergien wie zum Beispiel beim gemeinsamen Gemeindefest von St. Judas Thaddäus und Pankratius. Mit gemeinsamen Erlebnissen lassen sich viele Schranken, die einmal da waren, aufbrechen und man erfährt: Der will das gleiche wie ich und ist von der gleichen Botschaft beseelt.
Wobei ich mich mit dem reinen „katholisch sein” sowieso schwer tue, da ich in einer ökumenischen Familie lebe und daher für mich die christliche Botschaft im Vordergrund steht. Auch das ist die aktuelle Situation in Osterfeld, wie man beim Katholikentag mit dem ökumenischen Taizé-Gebet sieht. Ich nehme uns in Osterfeld eben nicht als Einzelschwimmer wahr.

Beate Kaltenbach (BK): Ich würde gern noch etwas ergänzen: Wir als katholische Kirche werden genau dort sehr positiv wahrgenommen, wo wir unserem sozialen und caritativen Auftrag nachkommen; konkret im Depot in der Kapellenstraße und in unserer Flüchtlingsarbeit. Dort haben wir als Pfarrei einen guten Stand und zeigen Gesicht. Dort werden wir auch über den „inner circle” hinaus wahrgenommen. Zum Beispiel von den Menschen, die sonst nur bei Sakramenten oder Lebenswenden Kontakt zur Kirche suchen. Diese soziale Arbeit ist ein hohes Gut, das wir hochhalten sollten.
Als Person, die erst seit einem Jahr hier ist und die aus einem anderen Bistum hierher kam, habe ich noch eine andere Sicht auf die Dinge. Ich habe gerade die sehr engagierten Menschen als diejenigen wahrgenommen, die eine Pastoral „wie immer“ wollten und die sich gegen Innovationen leicht gesperrt haben. Was ich jetzt wahrnehme ist, dass das „Für-sich-sein” aufbricht und dass das „wie immer” nicht mehr Maß aller Dinge ist.

CK: Es bleibt aber dabei: Die Strahlkraft fehlt um neue Leute reinzuholen. Klar hab ich auch sofort eine Nachricht bekommen, als das neue Banner vor der Kirche hing. Aber bei wie vielen Autofahrern, die nichts mit uns zu tun haben, bleibt das hängen? Das zu erheben wäre mal interessant – und das meine ich mit Strahlkraft.

SH: Beate, du sagtest eben, dass gerade der „inner circle” sich gegen Veränderung gewehrt hat. Da muss man berücksichtigen, dass wir ja in den letzten Jahren schon viele tiefgreifende Änderungen durchgemacht haben. Dabei gab es viele Verletzungen und Anstrengungen in unserer Pfarrei. Dem ein oder anderen geht dann die Objektivität vielleicht verloren und genau dann wird so eine Diskussion emotional.

 

Was ist die große Stärke der Pfarrei? Und wo liegen vielleicht noch Schwächen?

 

BK: Unsere Stärke: In all dem, was ist und was war, sich einfach nicht unterkriegen lassen. Wir finden immer einen Weg. Das finde ich total genial.

JE: Ja, total! Gerade wenn man auf das eine Jahr guckt, in dem wir hier quasi niemanden an der Hand hatten. Dieses Jahr hat uns als Gemeinderat sicherlich gestärkt. Denn wir wollten ja, dass z.B. eine Wallfahrt stattfindet und Menschen sich begegnen können. Das war nicht immer einfach, aber wir waren sehr kreativ.

Wir finden immer einen Weg. Das finde ich total genial.

CK: Unsere Stärke ist, dass wir immer weiter machen. Ich glaube, jede Gemeinde in der Pfarrei hatte schon schlechte Zeiten, in denen z.B. die eine oder andere Person hinter dem Altar fehlte. Dann haben verschiedene Modelle gegriffen, bei denen Menschen selbst Verantwortung übernommen haben. Da war es wichtig, dass man in der Gemeinde kompakt aufgetreten ist – das war stark.
Was lange negativ war, dass es viele Altlasten an persönlichen Differenzen gab und diese lange nachgetragen wurden. Diese Altlasten und fehlende Kommunikation samt Stille-Post-Prinzip – das war eine Schwäche. Aber es wird jetzt schon besser. Zusammengefasst: 2007 wurden wir Pfarrei. Das Ganze passierte aber nur auf dem Papier, erst jetzt kommt die Pfarrei in den Köpfen an.

JE: Wir gestalten ja die Kirche für das Jahr 2035 und in Anbetracht dessen muss man sagen: Die Jugend ist unsere echte Stärke. Die Messdiener, die Pfadfinder, die Franz-Jugend und das Jugendnetzwerk funktionieren gut. Das ist wirklich unser Pfund. Wenn man die Kirchenbesucher an einem Sonntag sieht, kann einem schon angst und bange werden für die Kirche. Wer ist davon in 30 Jahren noch da? Aber ich glaube, dass, wenn man  „sät”, auch etwas wächst. Es gibt immer Jugendliche, die sich zwischenzeitlich entfernen, aber die Saat ist da und es wird wieder etwas davon zu uns zurückkommen.

CK: Gerade bei der Messdienerarbeit sieht man schon wie verwachsen die Gemeinden sind. In den verschiedenen Hochämtern, wo die ganze Pfarrei zusammenkommt, sind selbstverständlich auch alle Messdiener da. Man muss feststellen, dass die Jugendlichen nicht dieses Kirchturmdenken haben. Die haben diese ganzen Altlasten nicht.

JE: Dass die Älteren noch auf ihren Kirchturm fixiert sind, ist auch klar. Die haben in dieser Kirche geheiratet und ihre Kinder wurden dort getauft. Irgendwann müssen wir uns von Gebäuden verabschieden und das ist ein ungutes Gefühl, das da aufkommt, wenn die Tür irgendwann abgeschlossen wird.

SH: Ich denke, für die Jugend hängt die Spiritualität auch nicht an diesem Ort der Kirche. Ich weiß nicht, ob das am Alter liegt oder an einem stetigen Wandel der Spiritualität.

BK: Ich nehme dieses Gefühl auch bei jungen Erwachsenen und bei jungen Familien wahr. Sie wollen einfach diese Gemeinschaft und das gemeinsame Erleben. Für mich ist diese Vielfalt der unterschiedlichen Menschen, die gerade aufeinander zugehen und auf Augenhöhe miteinander reden, eine unglaubliche Stärke.
Ich glaube auch, dass Menschen, die sich beschweren und ihren Unmut äußern, im Grunde eine hohe Motivation haben. Da müssen wir ansetzen und fragen: „Was sind eure Ideen und wie können wir euch einbinden?”

JE: Da sind ja durchaus Ängste und Bedenken, die wir alle ernst nehmen müssen. Es ist ja klar, dass mit diesem Prozess nicht nur alles gut wird.

Jetzt ist es Zeit, dass wir wieder rausgehen, uns mit den Menschen beschäftigen und Erlebnisse schaffen.

CK: Eine Zeit der Trauer wird definitiv kommen, aber dann müssen wir uns auf Stärken beziehen und aus der gegebenen Situation das Beste machen. Eben nicht die Hoffnung verlieren. In allem steckt etwas Positives. Kirche muss sich verändern, sonst haben wir keine Chance. Wie es in anderen Bereichen Fortschritt gibt, müssen auch wir fortschreiten.

JE: Auch da noch einmal: Die Unterscheidung zwischen den Aufgeschlossenen und denen, die auf ihren Kirchturm schauen, muss gemacht werden. Ich sehe uns als PGR dabei in der Verantwortung. Wir haben uns in der letzten Zeit viel mit uns selbst beschäftigt und jetzt ist es Zeit, dass wir wieder rausgehen, uns mit den Menschen beschäftigen und Erlebnisse schaffen.

 

F: Angst, Unsicherheit, Neugier, Zurückhaltung, Neutralität? Welche Gefühle überwiegen bei Ihnen ganz persönlich in Bezug auf den PEP?

 

CK: Bei mir herrscht eine große Neugier – darauf was da kommt und wie sich Kirche entwickelt. Natürlich würde ich lügen, wenn ich gewisse Ängste, gerade in Bezug auf den eigenen Kirchturm, ausblenden würde. Aber auch in einem anderen Punkt bin ich unsicher: Ist es klug sich zurückzuziehen und kleiner zu denken? In der Wirtschaft würde man, wenn der Laden nicht läuft, mehr investieren und das Angebot verändern. Aber ich will mir gar nicht anmaßen, das Vorgehen jetzt direkt zu kritisieren. Das ist der Weg der aufgezeigt ist und den gehen wir. Da ist Unsicherheit ein steter Begleiter.

SH: Bei mir überwiegt die Freude. Eine Freude, jetzt etwas Neues gestalten zu können, denn ich glaube, dass es eine Chance ist, aus der Notwendigkeit jetzt das Beste zu machen und vieles zu optimieren. Angst hab ich nur davor, dass wir es nicht schaffen, einige Pfarreimitglieder mitzunehmen – trotz unserer starken Bemühungen im Bereich Kommunikation. Aber es ist jetzt schon ein gutes Gefühl, über die Gemeindefeste in unserer Pfarrei zu gehen und überall bekannte Gesichter zu sehen und festzustellen: “Wir sind Viele!”

Ist es klug sich zurückzuziehen und kleiner zu denken?

BK: Persönlich finde ich Veränderungsprozesse in meinem Leben in erster Linie spannend. Ansonsten ist es ein Gefühlsmix in dem ich mich befinde. Da ist eine große Ambivalenz und Vielfalt, die ich vor mir sehe. Es ist eine Einstellungssache – ist das Glas halb voll oder halb leer? Und meines ist immer halb voll und ich kann es noch weiter füllen. Als Hauptamtliche bin ich jetzt zum vierten Mal in so einem Prozess und habe durch meine professionelle Rolle und dadurch, dass ich nicht aus dieser Stadt, diesem Bistum oder Bundesland komme, eine weniger emotionale Haltung. Trotzdem möchte ich mitgestalten und nicht nur meine Rolle bedienen.

JE: Wenn man vor der Veränderung steht, denkt man, dass alles zusammenbricht. Wenn man im Leben zurückschaut, war tatsächlich jede Veränderung auch für etwas gut. Daher bin ich für den Prozess positiv gestimmt. Wenn ich aber auf mich persönlich gucke, denke ich auch: „Schaffst du das alles?” Als Pfarrgemeinderatsvorsitzender frage ich mich, ob ich alle abholen und mitnehmen kann, ohne meine eigene Meinung zurückzulassen. Dazu kommen noch ehrenamtliche Stunden im Gemeinderat, in der AG Finanzen und das Singen im Chor, was mir wirklich Spaß macht. Ganz zu schweigen von der Familie und dem Fulltime-Job, den ich ja auch noch habe. Langweilig wird mir nicht. Es gibt aber ein Team im PGR, in dem jeder sich mal fallen lassen kann und man nicht immer zu 100% funktionieren muss. Da ist immer jemand, der einspringt, wenn es gar nicht anders geht.

 

F: Zum Schluss wollen wir einen Vorgriff auf die nächsten Phasen wagen: Was ist eine Veränderung, die Sie sich – ruhig auch sehr praktisch gedacht – vom PEP wünschen?

 

JE: Viele Schwellen abbauen, offene Kirche sein und bei Vielen die Begeisterung wecken, damit sie sagen „Ja, da könnte ich mitmachen!”

BK: Ein gemeinsames Pfarrfest. So einfach. Ganz praktisch.

SH: Ich traue es mich fast gar nicht zu sagen, weil es den oft verrufenen Fusionsgedanken voranreibt. Aber ein „Haus der Osterfelder Jugend” – mit einem cooleren Titel. Einen Ort, der auch für Pfarreiexterne als Anlaufpunkt funktioniert und das Gefühl vermittelt, dass wir viele junge Christinnen und Christen sind. Einen Ort, wo wir Ressourcen und Material bündeln können. Einen Ort, der uns auf Pfarreiebene hilft, Gutes zu tun und uns sozial und politisch zu engagieren.

CK: Dass nach innen der Prozess des „Pfarrei werden” gut funktioniert und wir nach außen mehr Strahlkraft bekommen. Also die Verwandlung von der Thermoskanne zur Wärmflasche.